Maximale Intensität
IF2 (~ 220 km/h)
Datum & Uhrzeit
26.06.2025 | 18:27 MESZ
Personenschäden
Keine
Betroffener Bereich
≥ 5.7 Kilometer lang
> 300 Meter breit (max.) / ⌀ ~ 90 m breit
SW - NO
Betroffene Orte
Waldgebiete zwischen Klosterfelde und Zerpenschleuse:
Kreuzbruch, Zerpenschleuse, Ruhlsdorf
Der Tornado ereignete sich am frühen Abend gegen 18:27 MESZ unter ungewöhnlichen Bedingungen. Zu diesem Zeitpunkt befand sich keine organisierte Gewitter- oder Schauerzelle über dem betroffenen Gebiet (eine genauere Betrachtung der Umstände folgt am Ende der Analyse). In den Waldgebieten zwischen Klosterfelde und Zerpenschleuse entstand eine 5.7 Kilometer lange und stellenweise über 250 Meter breite Schneise mit teils flächigen Vegetationsschäden, die auch deutlich auf Satellitenbildern zu erkennen ist. Die ersten sichtbaren Auswirkungen traten etwa einen Kilometer nordwestlich von Klosterfelde auf, in einem Waldgebiet innerhalb der Gemarkung Kreuzbruch (52.813, 13.466).
(Satellitenbilder: Vorher-Nachher-Vergleich & Kartenhintergrund - ©Sentinel imagery, European Space Agency - ESA | Abbildung Rechts: Übersicht; Gelbe Bereich = Flächige Forstschäden; Grüne Bereiche = Punktuelle Forstschäden; Pfeile = Fallrichtungen (Ermittelt von Thilo Kühne (ESSL); Darstellung und Kartierung der Schneise ©TorKUD.de)
Etwa einen Kilometer nach den ersten erkennbaren Schäden (52.819, 13.478) entstand ein über zehn Hektar großes Areal, in dem der Tornado flächig Bäume (überwiegend Kiefer, einzelne Birken) zu Fall brachte. Innerhalb dieser Fläche wurden über 90 % der Bäume entwurzelt oder abgeknickt (s. Bild 1-3 - TSA, DoD 4: IF2). Am Randbereich der Schneise wurden zahlreiche Kiefern deutlich und irreversibel geneigt (s. Bild 2-3; sog. compression failure). Die betroffene Fläche ist auf Satellitenbildern etwa 280 Meter breit. Da bei der Vor-Ort-Dokumentation von Maximilian Seel jedoch auch außerhalb der Wurffläche Schäden festgestellt wurden, die auf Satellitenbildern nicht sichtbar sind, dürfte die tatsächliche Breite der Schneise etwas darüber liegen, eine exakte Messung ist hier jedoch nicht möglich.
(Bild 1-3 - ©Maximilian Seel (TAD))
Das Areal mit den flächigen Wurfschäden endet nach etwa 700 Metern. In den folgenden rund zwei Kilometern kam es zu sporadischen Vegetationsschäden sowie mehreren Clustern mit flächigeren Forstschäden, allerdings deutlich weniger ausgeprägt als im zuvor beschriebenen Abschnitt (s. Bild 5; überwiegend TSA, DoD 2: IF1). Trotz der abschnittsweise geringeren Intensität lässt sich im Gesamtbild weiterhin eine durchgehende und räumlich klar abgegrenzte Schneise erkennen (s. Satellitenbild). Westlich der L100 ist im Wald auf Satellitenbildern ein deutliches Schadensmuster mit isolierten bogenförmigen Schneisen zu erkennen (s. Bild 4). Diese (halb-)kreisförmigen, "cycloidalen" Spuren verlaufen quer zur allgemeinen Zugrichtung des Tornados und sind ein typisches Merkmal eines ausgeprägten Mehrfachwirbel-Tornados (= multi-vortex). Anschließend kreuzte der Tornado die L100 (52.833, 13.505) zwischen Klosterfelde und Zerpenschleuse. Auch dort wurden mehrere Bäume abgeknickt oder entwurzelt (vgl. Bild 6-7; bis TSA, DoD 3: IF1.5).
(Bild 4: Vorher-Nachher; Weißer Pfeil = Zugrichtung, Gelbe Pfeile = Verlauf Schadensschneisen - ©Sentinel imagery, European Space Agency - ESA)
(Bild 5 - ©Maximilian Seel (TAD) | Bild 6-7 - ©Thilo Kühne (ESSL))
Östlich der L100 verursachte der Tornado weitere Forstschäden (hauptsächlich TSA, DoD 2: IF1), bevor er über eine Lichtung in der Gemarkung Ruhlsdorf (52.834, 13.507) zog und beim Wiedereintritt in das angrenzende Waldgebiet südlich von Zerpenschleuse erhebliche Schäden verursachte. In einem über 150 Meter breiten Abschnitt wurden dort zahlreiche Kiefern entwurzelt oder abgeknickt. Besonders auffällig sind in diesem Bereich die konvergenten Wirkungsrichtungen: An den Schneisenrändern finden sich irreversibel geneigte Kiefern (= compression failure), deren Wipfel deutlich in Richtung Schneisenzentrum gebogen wurden (s. Bild 8-9).
(Bild 8-9 - ©Maximilian Seel (TAD))
Die Schneise verjüngt sich ab diesem Punkt fortlaufend, von über 100 Metern auf unter 40 Meter Breite, und reicht über 1,5 Kilometer tief in das Waldgebiet hinein. Besonders im vorderen Abschnitt kam es zu flächigen Forstschäden: Nahezu alle Bäume, vorwiegend Kiefern, wurden entwurzelt oder abgeknickt (s. Bild 10–12; TSA, DoD 3: IF1.5). Vegetationsschäden lassen sich bis an den Oder-Havel-Kanal unmittelbar südlich von Zerpenschleuse (52.846, 13.524) nachvollziehen, wo die Schneise schließlich ausläuft.
(Bild 10 - ©Thilo Kühne (ESSL) | Bild 11-12 - ©Maximilian Seel (TAD))
Die Bedingungen für Tornadobildung waren am 26.06.2025 im betreffenden Gebiet ungünstig. Zwar war eine ausgeprägte Richtungsscherung vorhanden, doch gleichzeitig erschwerten hohe LCL-Werte sowie eine trockene Schicht im unteren Kilometer die Ausbildung eines bodenbasierten rotierenden Aufwinds. Zudem deuteten moderate CAPE-Werte auf nur begrenzte thermodynamische Unterstützung hin, während fehlende Deckelung (CIN) eine unkontrollierte Auslöse begünstigt hat. Insgesamt sprachen die Parameter also eher für Downbursts als Hauptgefahrquelle, nicht für organisierte Superzellen oder Tornados. Trotzdem bildete sich gegen 18:27 MESZ der Tornado in Kreuzbruch, ohne dass zu diesem Zeitpunkt eine organisierte Zelle direkt über dem betroffenen Gebiet lag. Stattdessen kam es in diesem Bereich zu einer Interaktion zweier Outflow Boundaries: Die schwächere, ältere Boundary einer vorangegangenen Zelle verlagerte sich nordwestwärts, während die deutlich stärkere Outflow Boundary eines nachfolgenden Bogenechos sich ostnordostwärts bewegte. Beide trafen am nördlichen Rand des Bows aufeinander, dort kam es zu einer lokalen Absenkung der LCL sowie zu einer erhöhten Richtungsscherung in den untersten 500 m, was zur Entstehung des kurzlebigen Tornados ohne vorangegangene Mesozyklone führte, der mit hoher Geschwindigkeit entlang der Konvergenzlinie "ritt". Da sich die Eigenschaften des Tornados weder eindeutig dem klassischen Typ 1 (mesozyklonal) noch Typ 2 (nicht-mesozyklonal) zuordnen lassen, kann man in diesem Fall von einem sogenannten Hybrid-Tornado sprechen.
(Radarbilder - ©ESSL / DWD | Sounding via ESSL - ©2025 European Centre for Medium-Range Weather Forecasts (ECMWF))
Bilder / Videos zur Verfügung gestellt von
Maximilian Seel (TAD),
Thilo Kühne (ESSL)
Zum Fall in der Tornadoliste
Kartenhintergrund ©Google
©TorKUD